Gesundheitskompetente Pflegende – wo stehe ich persönlich?
Kürzlich diskutierten Studierende und Lehrpersonen in einer Unterrichtspause lebhaft über das Kompetenzprofil einer Pflegenden, die beratend tätig ist. Sie diskutierten, wie chronisch kranke Patienten in ihrem Selbstmanagement gecoacht, wie Aktionspläne für Patienten und ihre Angehörigen entwickelt und welche Ziele erarbeitet werden können. Weiter tauschten sie sich darüber aus, wie der Umgang mit Hindernissen gelingt, wie man Zuversicht vermitteln und Unterstützung im Selbstmonitoring geben kann und wie sich Schritte zur Verhaltensänderung aufbauen lassen.
Für andere da sein – und für sich?
In der Diskussion erwähnte eine Studierende, dass sie zurzeit selber an einer Erschöpfung leide, ausgelöst durch eine Überbeanspruchung durch Arbeitsstress. Ein Moment der Stille erfüllte den Raum, denn viele Pflegende kennen den Zustand von Erschöpfung nach harter Arbeit, Schichtwechsel und Verarbeitung von traumatisierenden Arbeitserlebnissen. Sie wissen, dass es wenig bringt, Ratschläge untereinander zu erteilen. Es sind Momente, die betroffen und ja, auch hilflos machen. Momente, mit denen Pflegende meistens alleine konfrontiert sind. Zu wissen, wie man chronisch kranke Menschen begleitet und gleichzeitig zu erkennen, dass die eigene Selbststeuerung wankt, macht nachdenklich. Müsste nicht gerade eine Pflegende ein Vorbild – ein Rollenmodell – sein im eigenen Gesundheitsverhalten?
Was hilft bei Erschöpfung – und was nicht?
Die Werbung suggeriert uns, dass zum Beispiel der Genuss von Schokolade zu Glücksgefühlen führt. Unwissende können so durch die Werbung manipuliert werden. Ohne Aufklärung, ohne Wissen hätte man also keinen freien Willen. Der freie Wille entsteht demzufolge nicht durch Beeinflussung, sondern durch Erkenntnis der Wahrheit. Wissen ist also Macht, weil es uns vor manipulativen Eingriffen schützen kann. Als Gesundheitsexperten wissen wir Pflegenden, dass wir in der Erschöpfung nicht zu Genussmitteln greifen sollten, da uns dies nur ein kurzfristiges Glücksgefühl verschafft. Auch das Relaxen vor dem Fernseher ist kein Mittel gegen die Erschöpfung des «Ichs». Bauer (2015) greift in seinem Buch «Selbststeuerung, die Wiederentdeckung des freien Willens» genau diese Phänomene auf. Er spricht von Wirkprinzipien, welche die Selbststeuerung positiv beeinflussen. Dazu gehören zum Beispiel
ein gesundheitsförderlicher Lebensstil
gesunde Ernährung
Bewegung
zwischenmenschliche Erfahrung und sozialer Austausch
Selbstvertrauen
eine positive Grundhaltung
und intakte psychische Selbstkräfte
Bewusstes Gesundheitsverhalten und Entspannungsoasen
Wie wäre es, wenn ich bewusst über mein Gesundheitsverhalten entscheiden und durch «Selbstcoaching» die Selbstwirksamkeit meines Stressmanagements in die Hand nehmen würde? Ich könnte Fertigkeiten wie Achtsamkeit oder Entspannungstechniken durchführen, anstelle von Alkohol-, Chips-, Zigaretten- und Fernsehkonsum. Ich kann durch Sport meine körperliche Leistungsfähigkeit aufbauen, behutsam mit der Selbstfürsorge in meinem Leben umgehen und einen gesundheitsförderlichen Lebensstil leben. Es unterliegt meinem freien Willen, mein Stressmanagement im Griff zu haben, indem ich mich bewusst entspanne, in den Austausch mit anderen Pflegenden gehe und an den Herausforderungen zu wachsen versuche.
Was wir für unseren Berufsstand aus meiner Sicht brauchen, sind längerfristig abrufbare Leistungspotenziale, sodass Pflegende ihren Beruf nicht nach kurzer Zeit wegen Erschöpfung verlassen müssen. Das Erschaffen von gemeinsamen «Entspannungsoasen» mit Gleichgesinnten ist gefragt. Denn die Pflege hat humanistische Werte, die eine Berufsgruppe (politisch und konfessionell ungebunden) auch untereinander pflegen will.